Mittwoch, 19. Juni 2019

Hardalpi Tour 2018 - Nummer 3 mit HRT


40 Stunden Offroad - Hardalpi Extreme








Zum dritten Mal starten wir bei der Hardalpi – dem Enduro – Event für die richtig großen Enduros. Unter 150kg dürfen nur Neulinge fahren, nur das erste Mal und danach muss es mehr (besser: schwer) sein. Wir sind mit unseren Suzuki Team die „BIG Ducks“, auf jeden Fall in der richtigen Gewichtsklasse und mittlerweile alte Hasen, was die Kenntnis der Organisation angeht. Trotzdem beeindruckt mich, mit welcher Ruhe und Gelassenheit das Organisationsteam von „Over 2000 Riders“ das Gewusel mit 480 Fahrern aus immerhin 16 Nationen im Griff hat. Weder bei der Papierabnahme noch im Fahrerlager gibt´s Stress. Gut für die Neulinge, denn der ein oder andere ist aufgeregt wie beim Dakar Start. Genauso ist übrigens das „Tamtam“ vor der eigentlichen Abfahrt gestaltet, mit einem ausführlichen Briefing im mondänen Casino von San Remo. Die Damen in Abendkleidern staunten nicht schlecht, als wir mit Crossstiefeln über den roten Teppich stampften.
Im großen Saal wird neben wichtigen Infos auch die Vorstellung von Sponsoren, berühmten Dakar – Haudegen und nicht zuletzt von der neuen Yamaha T 700 zelebriert, während alle schon auf den Start gespannt sind.
Das Hardalpi Event ist kein Rennen, trotzdem wird in 3 Klassen gestartet. Die Extreme Class ist am Freitag kurz vor Mitternacht dran, wir fahren bis Sonntag mehr oder weniger „durch“ – und sind es dann auch. Das ganze Gelände am und im Parc Ferme verwandelt sich kurz vor 23.00 Uhr in einen Hexenkessel. Mehrere Hundert Motoren starten gleichzeitig, dazu Einheimische, „Fachbesucher“ und die Teilnehmer der am nächsten Tag startenden Classic und Discovery Class  ergeben ein dichtes Zuschauermeer. Über  die mit bunten Scheinwerfern beleuchtete Rampe fahren, wie über eine leuchtende Insel, die Teams in die Nacht.  Die BIG Ducks starten nach den Dakar Helden in Reihe zwei. Wir machen noch tüchtig mit beim Tohuwabohu, geben den Motoren noch richtig Dampf – und sind endlich auf der Rampe. Ein Interview mit dem Orga Chef Corrado Capra: Ich verstehe kein Wort, um uns herum ist gleißendes Licht, ein unglaubliches Getöse –endlich dürfen wir in die (erste) Nacht entschwinden.
Nach einigen Kilometern am Meer steigen wir bei Ventimiglia in die Ligurische Grenzkammstraße ein – jetzt höre ich nur noch meinen Motor.






Wir verfolgen die nordwärts führende „Ligurische“ aber nicht sehr lange, für die Extreme Klasse führt eine Schleife über Garessio quer durch Ligurien, kleinste Straßen, Wege Pisten mit endlos vielen Kurven  - und irgendwann wünscht Du Dir einfach mal Gas geben und „Meter“ machen zu können.
Eine Piste nach Mitternacht mitten im Wald, von vielen Lichtkegeln beleuchtet, ich bremse – und erwische die üble Bodenwelle davor voll. Das Fahrwerk meiner Rallye BIG schluckt den Brocken, Andre ist hinter mir etwas zu spät dran, schleudert und stürzt dabei unglücklich aufs Handgelenk. Es bleiben ins Ziel noch über 700 Kilometer, Andre ist unglücklich  - und raus. Wir machen das aus Spaß, nicht zum Selbstmord. Die erste Nacht vergeht dennoch schnell. Ausgeruht und motiviert wie im Rausch rieseln die Kilometer durch den Tripmaster. Der Lichtkegel fokussiert Dich auf den Track vor Dir. Gerade 15 Minuten „Powernapping“ müssen reichen für die Nacht. Am Morgen  gibt’s für uns eine Kontrollstelle in Bardineto. Das kleine Kaff hat eine ganze Servicezone organisiert: Es gibt heißen Kaffee und Tee, süße Stückchen und eine Menge netter Einwohner, die sich rührend um uns kümmern. Der kleine Ort hat eine tolle Kirche, doch nach Sightseeing ist uns nicht. Wir bekommen eine Menge Andenken mit, vielleicht kommen wir ja nochmal zum Schauen her. Weiter geht’s über schmale Pfade bis zum Stopp in Garessio, wo eine Relaxzone und warmes Mittagessen locken. Im Etappenziel Ernüchterung: Das Essen ist noch nicht fertig, die Relaxzone entpuppt sich als Turnhalle mit sehr nettem Personal, aber eiskalt und ohne irgendwelche Liegemöglichkeiten wie Matratzen – der Relax ist minimal. Leicht angefröstelt freuen wir uns auf den warmen Nachmittag auf sonnigen Pisten und nähern uns wieder der Ligurischen Kammstraße. Diese verwöhnt uns mit vielen gigantischen Eindrücken, bis wir am frühen Abend Limone Piemonte erreichen. Dort ist ein zweites, riesiges Zelt errichtet, warmes Essen gibt es und wir treffen auf die am Samstag gestarteten Teilnehmer der Classic und Discovery Route. Wir sitzen am Tisch mit David Fretigne und Alessandro Botturi. Der Werksfahrer hat direkt am  Zelteingang die neue Yamaha T700 geparkt - aha sie fährt tatsächlich J! Der japanische Konzern präsentiert sein neues Konzept direkt in die Zielgruppe hinein, Botturi lässt es besonders an den Photopoints „krachen“, sorgt damit für die gewünschten spektakulären Bilder.





Die zweite Nacht bricht an und wir spüren den Schlafmangel der letzen 24 Stunden. Konzentration ist gefragt und öfter mal eine Pause. Und die Möglichkeiten dafür sind reichlich: In vielen kleinen Orten entlang der Strecke sind Servicepoints eröffnet. Die ganze Nacht hindurch stehen die Einwohner bereit, um jeden der Teilnehmer bestens zu versorgen. Lichterketten, Kerzen, heiße und kalte Getränke, kleiner Imbiss – es ist beinahe wie ein Volksfest. Wir planen eine längere Pause in einem Servicepoint mit Gasthof. Dort legen wir uns von zwölf bis drei mit vielen anderen müden Kriegern auf den Boden der Kneipe, um etwas zu schlafen. Der Wirt macht den Job schon länger und ist den Anblick gewohnt. Er bietet den Erwachenden freundlich einen starken Kaffee an, bevor wir wieder in die Nacht hineinfahren. Tankstopp morgens um vier:  Der Tankautomat verschluckt vierzig Euro, Sprit gibt’s nur für zwanzig. Wir sind sauer! Tanken in Italien ist bei den Spritpreisen immer mit dem Gefühl verbunden, die Tankstelle mit zu kaufen. Immer wieder schrauben wir uns über Serpentinen empor, um danach über steile Schotterpisten bergab zu kraxeln. In einem Steinbruch gibt´s eine Auffahrt mit losen Schotter. Im Augenwinkel sehe ich noch ein paar Jungs müde grüßen. Die Teilnehmer kommen mit einer gewaltigen Bandbreite an Fahrkönnen. So quält sich ein Teil mühsam durch Abschnitte, welche die Geübten gar nicht so anspruchsvoll wahrnehmen. Jetzt macht sich Müdigkeit breit und wir hoffen auf den Sonnenaufgang. Vor dem Einstieg ins Finale – der Assietta Kammstraße bis Sestriere  - lockt uns noch einmal ein leckeres Frühstücksbuffet. In meinem Kopf macht sich schon Cappucinoduft breit,  das Hotel Chiabriera in Pomaretto gibt sich eine unglaubliche Mühe, alle Nachtschwärmer auf das Beste zu verköstigen. Über den Colle Fenestrelle klettern wir nach oben zur Assietta, die uns wiederum mit besten Ausblicken verwöhnt. Sonne und weiße Wolken geben mit hohen Gipfeln ein prächtiges Panorama für Erinnerungsfotos. Kurz vor Sestriere nochmal rechts abbiegen und die Talseite zu wechseln – die Extreme Route führt nochmals über ein Schleife am Lago Nero vorbei. Dort treffen wir Andre, die Hand ist mit Tape gesichert. Nachmittags um zwei erreichen wir nach 800 Kilometern Hardalpi ein  wenig müde, aber glücklich das Ziel in Sestriere. Wir wissen jetzt schon, das wir 2019 unbedingt wieder dabei sein müssen  - bei den längsten Enduronächten des Jahres.




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