Als der Motorradclub TFC 85 aus Graz (A) 1993 seine erste Roadbook - Rallye in Slowenien durchführte, hätte wohl niemand geglaubt, dass sich daraus eine über zwölf Jahre andauernde Erfolgsgeschichte entwickeln würde. Auch wenn der Ort der Veranstaltung wegen Genehmigungsproblemen von Slowenien zunächst nach Istrien und dann in den Süden Croatiens verlegt werden musste: Andere Nachahmer mit europäische Roadbookrallyes kamen und gingen- die des TFC 85 hielt und hält noch immer durch.
Die 2005er Neuauflage des Klassikers hatte - sicher auch wegen der positiven Berichterstattung von Stefan Heßler in der ENDURO - 78 Teilnehmer am Start, darunter mehr als die Hälfte aus Deutschland. Die Mädchenklasse hatte mit 6 „Rallyedamen“ ebenfalls Rekordbeteiligung. Neu waren für die Enduropiloten auch die Kollegen mit den 4 Rädern: Die Quadklasse hat nun auch bei der Croatia Einzug gehalten. Der Fahrtleiter Christian Klauscher war mindestens ebenso gespannt wie die zwei Piloten aus dem Hercules Werksteam, ob auch Quads diese Endurorallye bewältigen können.
Technische Abnahme am Sonntag, viele Piloten schauten unsicher auf die kundigen Hände der Technikprofis. Stefan Heßler hatte bereits vorher beim Veranstalter angefragt, ob er der den „Wüstendonner“ seine über 160dB laute Werksmaschine Suzuki DRZ 820, das Motorrad von Gaston Rahier einsetzen darf. Die frisch lackierte, blitzblanke Maschine bestaunten sogar die KTM Mechaniker ;-)
Keine Kompromisse gab es allerdings bei GPS oder auch nur Haltern für diese. GPS ist bei der Croatia nicht nur aus Gründen der Chancengleicheit verboten, soll doch auch verhindert werden, das wilde Rallyefahrten im teilweise noch immer minenverseuchten Gelände das ganze Jahr über Fahrer und auch den Fortbestand der Rallye gefährden.
Der kurze, aber knackige Prolog am Sonntag Abend war für alle Teilnehmer eine Einstimmung für die folgenden Fahrtage. Steine, Geröll und unzählige Kreuzungen in kurzen Abständen forderten die Fahrer. Der Vorjahressieger Lazzi Porsch konnte seine ganze Erfahrung einsetzen und gewann mit reichlichen Vorsprung. Stefan Heßler, als Trainer zur Zeit mehr dienstlich auf dem Bike unterwegs, hatte nach einem Jahr ohne Rallye Anlaufschwierigkeiten. An einem Pulk mit verirrten Fahrern übersah er eine Kreuzung und donnerte Vollgas los - in die falsche Richtung. Die Suzuki lief prächtig und bevor er den Fehler bemerkte, hatte er auch schon fast einen Kilometer zurückgelegt. Dieser „Ausflug“ sollte mit den 4 Minuten Rückstand auf den Prologschnellsten schon Grundlage für eine spannende Aufholjagd, aber auch einer der Gründe für den Verlust des Gesamtsieges sein.
Die Etappe „Winnetou“ am Montag führte über 270km kreuz und quer durchs dalmatische Hinterland und zeigte den Piloten nicht nur berühme Drehorte der bekannten Karl May Filme, sondern auch, daß der Begriff „Schotter-Rallye“ Steine in jeglicher Größe umfasst. Feiner, rutschiger Kies wechselte mit kopfgroßen Brocken und rüttelte jeden der 78 Fahrer gründlich durch. Die im Winter neu aufgebaute DRZ von Stefan Heßler musste an diesem Tag ohne Vortests ihre Feuerprobe bestehen. Im letzten Moment wurden vor der Rallye noch Tanks geschweißt und Vergaser sowie Fahrwerk optimiert. Eine Auspuffhalterung aus Alu hielt als einziges der Belastung nicht stand , konnte aber mit Kabelbindern „verbunden“ werden. Und die Aufholjagd? 10 Sekunden immerhin konnte Stefan Heßler auf den Führenden gut machen um sich damit von einem 18 Gesamtrang aus dem Prolog auf Platz 5 nach vorn zu schieben.
Der Dienstag und die Etappe „Old Shatterhand“ schaffte, was viele nicht für möglich gehalten hätten –noch mehr Steine!! Bereits die „Kompaßetappe“ begann mit noch mehr Felsbrocken. Diese konnten aber weder BIG noch Fahrer etwas anhaben- bereits nach der vierten Abzweigung hatte Stefan den eine Minute vor Ihm gestarteten Gesamtführenden eingeholt! Diese Etappe fordert im Umgang mit dem Kompass besondere Genauigkeit, und deswegen musste auch ein DRz Fahrer absteigen, um die Missweisung des Gerätes auszuschließen. Zuverlässig, ohne zu verfahren – aber auch ohne die Verfolger und Eingeholten abschütteln zu können, kam Stefan mit einer ganzen Horde von Enduros im Schlepptau ins Ziel. Durch die genaue Navigation eine Top Zeit, aber nur eine Minute nach vorn… Am Ende der Sonderprüfung 2 befand sich ein Felsenparcours, der auch Trialfahren einigen Spaß bereitet hätte. Die Piloten der leichten KTM hatten dort noch die geringsten Probleme, doch in der Zweizylinderklasse zerschellten einige Ventildeckel von weiss-blauen Boxern am harten Stein. Stefan Heßler konnte, obwohl die BIG ebenfalls in der Gewichtsklasse der Boxer ist , diese Prüfung unbeschadet beenden, und wiederum fast eine Minute auf den vor Ihm gestarteten Gesamtführenden Manuel Slaby gut machen. Der versöhnliche Abschluss für diesen Tag, eine Zwangspause mit Picknick und wunderschönen Blick auf die Insellandschaft fiel in diesem Jahr wörtlich ins Wasser. Ein feiner Landregen, der sich zum kräftigen Guss auffrischte, überschwemmte nicht nur das kalte Buffet. Sekundenschnell wurden die trockenen Felsen glatt wie Eisblöcke und trockene Feldwege zu Rutschbahnen, glatt wie Schmierseife. Der DR BIG Fahrer Jan Pfeifer meinte nach seiner Pirouette im angrenzenden Feld: Wahnsinn, ich wollte doch nur gaaanz vorsichtig gerade! aus…. Stefan Heßler hatte inzwischen, gut in der Fahrzeit liegend, die gefährlichen Streckenabschnitte schon bewältigt und kam fast noch trockenen „Rades“ im Ziel an. Beim Aushang der Ergebnislisten am Abend stand Stefan Heßler und einsam eine 200kg schwere, gelbe DRz zwischen der gesamten KTM Armada auf Platz 2, mit immerhin 4 min Vorsprung auf den Gesamtdritten. Eine gute Basis für den Ruhetag und die weitere Verfolgungsjagd….
Nachdem der Ruhetag komplett verregnet war, hatte der Veranstalter vorsorglich den Wetterbericht für den Donnerstag ausgehangen, um den Teilnehmern etwas Mut zu machen. Und das Wetter richtete sich nach den Wünschen von Wetterfröschen und sicher auch den der meisten Fahrer: Sonnenschein und ein tiefblauer Himmel erwartete die Akteure zur Etappe „ Apanatschi“ am Start. Nach dem Ruhetag hatten die meisten Fahrer doch einige Mühe, sich wieder in den Rennrhythmus zu finden. Auch bei Stefan stimmte das „Feintuning“ beim schnell Fahren und gleichzeitig Navigieren noch nicht. Gleich auf den ersten 5 Kilometern verfahren, zum Glück nicht in einer SP - Schreck in der Morgenstunde! Als zusätzliche Schwierigkeit hatte der Veranstalter gleich zwei "haarige" Wertungsetappen in petto: Die gefürchtete "Schnittetappe", bei der eine vorgegebene Strecke auf Gleichmäßigkeit mit 35km/h sekundengenau zu durchfahren war. Dazu noch eine klassische Wertungsprüfung, bei der sich zwischen einer steinigen, mit glatten Serpentinen gespickten Steilabfahrt und einer mit scheinbar unendlich tiefen Schotter gefüllten Auffahrt eine Wasserdurchfahrt zur vorübergehenden Abkühlung befand. Für Stefan waren in der SP2 die steilen Serpentinen eindeutig von Nachteil, "schiebt" die gut 200kg schwere DRz820 doch mit doppelter Wucht im Vergleich zu einer KTM bergab. Trotzdem konnte er eine Zeit im Vorderfeld behaupten und mit Zeitgleichstand dem führenden Emanuel Slaby auf der leichten KTM Paroli bieten. Große Aufregung beim Aushang der Ergebnislisten am Abend! Offensichtlich hatte der Veranstalter bei der Auswertung der Schnittetappe einen Rechenfehler gemacht. Einige Minuten später waren die Ergebnislisten wieder verschwunden... um bis zur Siegerehrung nicht wieder aufzutauchen. Ausschlaggebend für die Rücknahme der Ergebnisse war der Einspruch von Stefan. Basierend auf den unguten Erinnerungen vom vergangenen Jahr hatte er sich die aus dem (gleich nach dem Zieleinlauf abzugebenden) Roadbook wichtigen Seiten zu Beweissicherung einbehalten.
Für Heßler ergaben sich in dieser Situation damit gleich eine Reihe von Problemen. Einerseits war er durch die falsche Auswertung am nächsten Tag weit hinten in Fahrerfeld positioniert, welches immer nach dem Ergebnis des Vortages startet, andererseits war der Rückstand auf den Führenden unbekannt, da völlig unklar blieb, auf welcher Basis der Veranstalter die Wertungsprüfung bewertet. Außerdem war ein Einspruch nicht möglich. Was war nun mit der Aufholjagd? Stefan hielt sich an die alter Rallyefahrerdevise: im Zweifelsfall angreifen!
Der letzte Wertungstag ist 220km lang und heisst „No-Tschi“. Bloss nichts falsch machen! Stefan hatte in der ersten kurzen Verbindungsetappe gleich 20 min herausgejagt, nur nicht zu spät kommen! Die SP1 am letzten Wertungstag, zu Beginn mit gefährlichen Bodenwellen gespickt und am Ende mit einem mehr für leichte Enduros gemachten Singletrail gekennzeichnet, war der Auftakt. Die nicht zu erkennenden Bodenwellen bargen eine große Überschlagsgefahr. Nun konnte die DRz endlich zeigen , wofür sie gebaut ist! Mit ca 160km/h flog die laut brüllende DRZ über die Wellen, währende der Fahrer seine eigene Courage verfluchte. ;-) Doch leider wurde das Risiko nur bedingt belohnt, fünf oder sechs der langsamen Fahrer blockieren auf dem Singletrail den Weg, hören nicht auf hupen, schreien oder gar den lauten DRz Auspuff ..sch!!! Trotzdem mehr als 1 Minute gegen den führenden herausgefahren, zweitbeste Fahrzeit gesamt. SP2, der "ALAN MAN" genannt, eine Fullspeedetappe auf einer 12 km langen Paßstraße, die über losen Schotter bis auf über 1000 Meter Höhe führt. Nur eine Hand voll Fahrer hatten es bisher geschafft, diese Strecke unter 12 Minuten zu bewältigen. Stefan Heßler jagte die ehemaligen Werksmaschine in 11:50
Minuten den Berg hinauf. Würde das zum Sieg reichen? Immerhin hatte Stefan wieder mehr als eine Minute gut gemacht.
Seit Donnerstag Abend war der Wertungsstand unbekannt, umso mehr wurde die Siegerehrung am Abend von allen mit Hochspannung erwartet. Bevor die Gesamtwertung bekannt gegeben wurde, wurden die Sieger in den Klassen geehrt. Riesigen Beifall erhielten besonders die Mädchen, sich im Fahrerfeld auch gegen so manchen Herren behaupten konnten. Die Siegerin der Damenklasse, Petra Grune, war auch insgesamt auf Platz 29 vor einigen Herren im Ziel.
Die Spannung knisterte bis zur letzten Minute der Siegerehrung mit jedem Platzierten fast schon fühlbar mehr, denn natürlich wurde mit der Ansage des Letztplatzierten begonnen. Stefan und Emanuel waren sich beide nicht sicher, und dann Platz 2:......... für.……Stefan Heßler auf SUZUKI DRz820. - Freude und Enttäuschung zugleich!
Zum wiederholten Male nach 2004 entschied die umstrittene Schnittprüfung die Gesamtwertung. Die einzige Prüfung dieser Art auf Durchschnitts - geschwindigkeit wird nach fast 10 km Fahrstrecke Sekundengenau bewertet, jede Sekunde Abweichung wird mit Faktor 5 bestraft. Praktisch werden hier Fehlerpunkte im Toleranzbereich von Messgeräten vergeben, eher ein Glücksspiel als eine Wertung und besonders dann, wenn die Konkurrenten dicht auf liegen!
Sieger wurde Emanuel Slaby (D/KTM EXC) mit nur einer Minute und 18 Sekunden vor Stefan Heßler (D/DR BIG) und Joe Müller (A/KTM EXC), der auf den Zweitplatzierten schon einen Rückstand von 6 Minuten und 33 Sekunden hatte!
Nicht umsonst erhielt am Ende der Siegerehrung Fahrtleiter Christian Klauscher die Krone des Königs der „Croatia“. Das Team des TFC 85 hat nur mit ehrenamtlichen Helfern und ohne Profitdenken eine Rallye gestaltet, die jedem Teilnehmer einfach nur Spaß gemacht hat- Winnetou wir besuchen dich wieder!
©TEXT HRT
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